Hallo Samedan! 870KM THERMISCH MIT DER STANDARD LIBELLE | 24.6.2016

Ein guter Flugtag in der Woche kündigt sich bereits am Montag an. Der Donnerstag schien vielversprechend zu sein, für den Freitag hatte ich ein noch besseres Gefühl. Ich kannte das labile Warmluftphänomen bereits von Pfingsten 2014, als ich zum ersten Mal bis in die Schweiz fliegen konnte. In dieser Woche hatte ich viel zu tun und konzentrierte mich bereits am Montag auf den Freitag. Mein Ziel für diesen Tag war klar: ein 750 km Ziel-Rückflug in die Schweiz, um das FAI 750km Diplom zu verdienen. Von Aigen aus ist ein 750 km Ziel-Rückflug in die Schweiz schwierig, da der Wendepunkt in einem thermisch anspruchsvollen Gebiet bei Lenzerheide und dem Piz Beverin liegt. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder man fliegt am Morgen etwas nach Osten (20 km), oder man setzt den Wendepunkt noch weiter hinaus, über Thusis hinaus in Richtung Vals.

 

Vals war übrigens auch der Wendepunkt von Jochen von Kalckreuth, der 1972 einen deutschen Rekord mit 780 km von Aigen aus geflogen ist. Ein paar Tage zuvor ist mein Vater auch mit Jochen von Kalckreuth einen Ziel-Rückflug zum Reschenpass geflogen – an einem ähnlichen Tag, wie mein Vater erzählte.

 

Am Donnerstag bestätigte sich der aufkommende Hammertag. Der Donnerstag selbst schien noch nicht so gut zu sein, zumindest im Osten war die Basis sehr tief. Dies bestätigte sich auch durch die geflogenen Leistungen an diesem Tag. Am Freitagmorgen hatte ich noch kurz Zeit, mit Papa ein paar Dinge zu besprechen. Er riet mir davon ab, meinen Ziel-Rückflug in den Vordergrund zu stellen, da es ab dem Flüelapass sicher schlechter werden würde. Leider sollte er recht behalten.

 

Ich ließ das Programmieren meines Nanos bleiben - das ist sowieso ein Mega-Aufwand auf dem Apple Computer. Stattdessen fuhr ich voller Vorfreude zum Flugplatz, wo Andy bereits in den Startlöchern stand. Wir waren schnell beim Ausräumen der Flugzeuge und beim Fertigmachen der Segelflieger. Schnell noch 40 Liter in die Libelle getankt — mit Wasser ist sie einfach ein ganz anderes Flugzeug. Sie ist viel stabiler beim Kurbeln und im Geradeausflug als eine LS4.

 

Die ersten Wolken entstanden schon relativ früh um 9:30 Uhr lokaler Zeit, und so wurde es doch noch etwas stressig. Ich zog die Libelle gleich direkt auf die Piste und machte mich bereit. Um 10:00 Uhr lokal starteten wir - dieses Jahr schon zum dritten Mal so früh in der Luft. Nach dem Ausklinken in 1300 Metern über dem Platz begann sofort ein kleiner Kampf. Ich hätte keine Minute früher starten dürfen, ansonsten wäre ich abgesoffen. So verging auch schon die erste halbe Stunde in schwacher Thermik, bis ich endlich meine Abflughöhe von 2600 Metern MSL erreichte. Andy war zu dieser Zeit auch schon am Start, und wir flogen gemeinsam am Mölbegg Richtung Westen ab. Die heutige Route im Blick, ging es dann sehr zäh über Niederöblarn und Gumpeneck Richtung Hochwildstelle. Der Grat auf der Hochwildstelle ergab dann relativ schwaches Steigen – dieser Bart ging dieses Jahr schon viel besser! Weiter ging es zum Grat bei Schladming und dann bis querab Obertauern. Dort habe ich den ersten stärkeren Bart mit ca. 1,7 Metern ausgekurbelt, genau richtig für die Querung zum Hochgründeck. Andy war zu diesem Zeitpunkt schon etwa 10 Kilometer vor mir, diesen Vorsprung konnte ich dann bis zum Engadin nicht mehr einholen. Ich hielt den Abstand aber immer konstant. Weiter ging es zum Hahneckkogel. Leider habe ich dort nichts erwischt und so bin ich relativ tief auf der Schmittenhöhe angekommen.

 

Dort bin ich dann mit 5 Paragleitern unter einer Wolke relativ gut gestiegen. An der Basis war ich dann etwas verunsichert - ein großes blaues Loch zwischen Pinzgauer und Pass Thurn lag vor mir. Ein Arcus ist dann mit mir abgeflogen. Ich hatte schon ein etwas mulmiges Gefühl, aber dann sah ich die hohen Wolken am Kreuzeck und bin mit MC 0,8 losgeflogen. Generell fliege ich eigentlich ungern nach McCready. Meistens stelle ich 1 oder 1,5 ein und fliege mehr intuitiv und versuche so viel Energie wie möglich mitzunehmen. Ich glaube, so bekommt man ein gutes Gefühl für die richtige Geschwindigkeit.

 

Ab Gerlos ging es dann aber dahin. Der Basissprung betrug 600 Meter und endlich gab es bessere Steigwerte. Am Kellerjoch kurbelte ich noch einmal zusammen mit Gerhard Tomani in seinem Nimbus 4DM aus Trieben und dann ging es dank Transponder sehr schnell auf die Nordkette, wo ich aber kein richtig gutes Steigen fand. Andy war zu diesem Zeitpunkt schon bei den Miemingern und meldete über 3 Meter Steigen. Noch einmal ein bisschen gekurbelt bei der Reitherspitze und dann weiter zu den Miemingern. Ab hier fing der Tag dann an zu explodieren. Es gab 4,5 Meter integriertes Steigen und eine gute Optik Richtung Tschirgant, Venetberg und Engadin. Genau diese Route habe ich dann auch eingeschlagen. Jeder Bart brachte über 4 Meter und so konnte ich meinen Schnitt ziemlich in die Höhe treiben. Zu diesem Zeitpunkt war mir das noch nicht ganz bewusst, aber ab hier flog ich den schnellsten Schnitt, den ich jemals geflogen bin. Mit durchschnittlich 115 km/h ging es vorbei an Fiss und im starken Steigen am Muttler noch einmal aufgekurbelt auf 4400 Meter MSL.

 

Hier habe ich bei meinem Flug im Jahr 2014 umgedreht, heute ging es aber definitiv weiter. Am Morgen habe ich noch zu Andy gesagt, dass wir heute ins Engadin fliegen und so war es dann auch. Über Zernetz hatte ich dann den Blick auf den Flüelapass. Papa hatte Recht behalten: Im Graubünden gab es eine sinkende Basis von geschätzten 1000 Metern. Ein Weiterflug ohne Motor in dieses für mich neue Gebiet mit so tiefer Operationshöhe wäre doch etwas mutig. Die Optik ins Unterengadin versprach aber tolle Verhältnisse. Circa 10 Kilometer vor Samedan habe ich dann um 14:55 Uhr umgedreht. Andy kam mir entgegen; er hatte querab des Flugplatzes umgedreht. Die Wetterscheide am Malojapass war gut zu sehen. Ab Samedan sank die Basis dann wieder erheblich ab, also hatten wir das Wetterfenster maximal ausgenutzt.

 

Der Rückflug verlief über eine 47 km lange Strecke ohne zu kreisen, bis wir vor dem Kaunertal das erste Mal wieder Steigen fanden. Andy wollte bereits ins Inntal abdrehen, aber ich konnte ihn überzeugen, dass wir auf der Südroute bleiben sollten, was sich als goldrichtige Entscheidung herausstellte. Der Weg bis zur Gerlos war relativ einfach und wir hätten hier umkehren und noch einmal ins Engadin fliegen können, was uns vielleicht sogar einen 1000er beschert hätte – klingt unglaublich, war aber durchaus realistisch bei einer verbleibenden Flugzeit von fünfeinhalb Stunden und einem knappen 100er Schnitt.

 

Am Pinzgauer hatten wir dann noch einen kurzen Durchhänger, aber wir fanden wieder guten Anschluss bei den Drei Brüdern. Dort kamen wir auch mitten in den Pulk des Sailplane Grand Prix, der gerade in Niederöblarn stattfand. Um 18:00 Uhr flog ich direkt über Altirdning und mein Vater gratulierte mir über Funk. Ich hatte 720 km auf meinem Rechner stehen (Samedan sind ca. 680 km von Aigen aus gesehen) und noch 3,5 Stunden Flugzeit übrig. Im Osten sah es bereits ziemlich bedrohlich aus mit Überentwicklungen ab Trieben, also beschlossen Andy und ich, noch einmal in den Westen zu fliegen.

 

Zu zweit kämpften wir uns dann bis zum Kleinarltal durch. Gerade am Abend zahlt sich der Teamflug aus und wir fanden um 19:30 Uhr sogar noch Steigwerte mit über 1,5 m/s. Ich hatte immer noch einen Endanflugrechnerwert von minus 300 m und hoffte, dass ich die 900 km noch vollständig machen könnte. Fast eine Stunde könnten wir zu dieser Jahreszeit noch fliegen und die starke Abendthermik im Ennstal war bereits zu spüren. Kurz vor Niederöblarn hätte ich noch einmal um mindestens 1 m/s aufkurbeln können, aber ich entschied mich dagegen, als ich ein großes Gewitter direkt über Liezen sah, welches uns zwang, 1500 m über Platz die Klappen zu ziehen und zu landen. Am Platz wurden wir von vielen Leuten empfangen und mein Vater kam mit Bier, um anzustoßen. Die Libelle und die ASW wurden ungereinigt in die Halle gestellt - "Gereinigt und versorgt wird morgen" war die Devise.

 

Simon